Die Fragenkultur nimmt in der Reggio- Pädagogik eine entscheidende Rolle ein. Sie gilt als ein Schlüssel, um Kinder zum eigenständigen Denken, Forschen und Gestalten anzuregen.
Offene Fragestellungen sind dabei das zentrale Werkzeug. Sie öffnen einen Raum, in dem Kinder ihre eigenen Ideen einbringen, Hypothesen formulieren und Fantasie entwickeln können. Während geschlossene Fragen im Normalfall nur eine „richtige“ Antwort zulassen – und oft zu einer Trennung zwischen „Wissenden“ und „Nichtwissenden“ führen – schaffen offene Fragen eine Atmosphäre, in der sich jedes Kind beteiligen kann. Die Einstiegshürden sind niedrig, weil es keine falschen Antworten gibt. Was zählt, ist der Denkprozess, nicht das schnelle Ergebnis.
Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass offene Fragen die intrinsische Motivation von Kindern stärken, ihr Selbstwertgefühl fördern und sowohl sprachliche als auch soziale Kompetenzen nachhaltig entwickeln.
Tipp: Wenn Kinder erfahren, dass ihre Gedanken ernst genommen werden, stärkt dies ihr Vertrauen in die eigene Ausdrucksfähigkeit und in die Bedeutung ihres Beitrags. Dadurch werden sie motiviert und aktiv in ihrer Beteiligung.
Ein einfaches Beispiel aus dem Kita-Alltag verdeutlicht den Unterschied: Stellt eine pädagogische Fachkraft die Frage „Welche Farbe hat der Himmel?“, prüfen die Kinder ihr Wissen und nennen in der Regel die erwartete Antwort „blau“. Einige antworten sofort, andere sind unsicher und für vertiefende Überlegungen bleibt kaum Raum. Offene Fragen regen die Kinder dazu an, Beobachtungen zu beschreiben, Hypothesen zu formulieren und ihre Gedanken innerhalb der Gruppe auszutauschen, wodurch sie ihre Denkprozesse und Vorstellungen aktiv weiterentwickeln.
Der pädagogische Wert dieser Fragenform liegt in mehreren Aspekten: Kinder werden ermutigt, eigenständige Lösungswege zu entwickeln, statt auf vorgefertigte Antworten zu vertrauen. Kreatives und kritisches Denken werden angeregt, ebenso wie die Fähigkeit, zuzuhören, unterschiedliche Meinungen zu akzeptieren und konstruktiv darauf zu reagieren. Eine Kultur des Fragens fördert zudem eine wertschätzende Lernumgebung, in der Fehler nicht als Scheitern, sondern als Anstoß für neue Perspektiven verstanden werden.
Für pädagogische Fachkräfte bedeutet dies, den eigenen Fragestil bewusst zu reflektieren und immer wieder zu prüfen:
In der Reggio- Pädagogik tritt die erwachsene Person als MitforscherIn auf, die gleichzeitig ImpulsgeberIn und aufmerksame ZuhörerIn ist. In der Praxis ergibt sich daraus eine lebendige Gesprächskultur. Kinder und Erwachsene entwickeln gemeinsam Fragestellungen, suchen nach Antworten, formulieren und überprüfen Hypothesen und entwickeln neue Ideen. Ob „Was macht der Hase wohl, wenn es dunkel wird?“ oder „Wie könnte ein Haus für Regenwürmer aussehen?“. Es sind unter anderem gerade solche offenen Fragen, die Lernprozesse initiieren, Kreativität freisetzen und langfristig das Denken der Kinder prägen.
Beispiele offener Fragen für die Praxis in der Reggio- Pädagogik:
„Was entdeckst du, wenn du genau auf das Bild schaust?“
„Wie fühlt sich das Material an?“
„Was könnte passieren, wenn wir es anders machen?“
„Was glaubst du, warum ist das so?“
„Hast du eine Idee, wie sich das Rad drehen kann?“
„Wie könnte eine Geschichte zu diesem Bild sein?“
„Was passiert wohl, wenn es immer regnet?“
„Wie könnten wir die Welt sehen, wenn wir so klein wie eine Ameise wären?“
„Was meinst du, warum haben Pflanzen Blätter in verschiedenen Formen?“
„Was ist Dir bei dem Gestalten wichtig gewesen?“
Kita-Fachtexte (Knauf, 2017): Reggio-Pädagogik
PDF mit Übersicht zu Kernideen, u.a. die Bedeutung von Identität, Beteiligung und sozialen Werten.
Hinweis: kostenfreier Download